🇩🇪 Ob Du einen schönen, vollen Klang aus Deiner Gitarre herausholst oder einen flachen, leblosen, hängt von unglaublich vielen Faktoren ab. Diverse Einzelheiten in Sachen Körperhaltung, Fingerarbeit und inhaltlicher Herangehensweise können falsch laufen. Und dazu führen, dass Du das Gefühl bekommst, den Schritt vom fortgeschrittenen Lernenden zum lebenslang weiterlernenden, aber doch in wahren musikalischen Gefilden angekommenen Gitarristen niemals zu schaffen.
Daraus folgt aber umgekehrt zum Glück: Es gibt auch nach Jahren des Übens noch unglaublich viele Stellschrauben, von denen Du in Deinen kühnsten Träumen nichts geahnt hast. Und an denen Du drehen kannst, um Dein Spiel zu verbessern. Es ist nicht bei allen so, dass sie Dir schon immer zur Verfügung gestanden hätten und Du sie bloß übersehen hättest.
Wunderkind oder ambitionierte*r Hobbygitarrist*in?
Klar, manche gehören zu den Grundregeln und werden nur leider nicht von jeder*m Lehrer*in an den ambitionierten Hobbygitarristen oder die Späteinsteigerin vermittelt. Allzu häufig scheinen Musikschulen zu denken, dass, wer nicht gerade als Wunderkind anfängt oder Musik studieren möchte, mit der Komplexität des professionellen Gitarrenspiels nicht belästigt werden müsse. Vielleicht denkst Du auch selbst, dass Dir das eine oder andere Detail einfach too much ist. Das wäre schade, denn auch wenn Du vielleicht kein Martin Tallstrom oder Lorenzo Polidori mehr wirst, muss es trotzdem nicht sein, dass Du ständig Frusterlebnisse mit der Gitarre hast, weil Du gewisse Probleme nicht in den Griff bekommst, die mit Profiwissen gelöst werden könnten.
Andere Stellschrauben zur Verbesserung Deines Gitarrenspiels tun sich als Möglichkeit überhaupt erst auf, wenn Deine Fähigkeiten einen gewissen Schwellenwert überschritten haben. Muskelkraft, Beweglichkeit und Routine in den Fingern müssen beispielsweise erst mühsam entwickelt werden, um die Konzentration von den Basics auf die Details lenken zu können. Feine Unterschiede in der Klangfarbe bewusst zu steuern, kann in der Hand-Ohr-Koordination erst gelingen, wenn das Gehör auf den „Zielklang“ trainiert ist, der erreicht werden soll. Und wenn Du durch viel Probieren und Anleitung durch Deine*n Lehrer*in verstehst, welchen aktiven Einfluss Deine Finger darauf haben. Die Konzentration auf die richtige Technik wird Deinen Klang verbessern, die Konzentration auf die Erzeugung eines besseren Klangs wird wiederum den Teufelskreis der „schwierige Stellen“ aufbrechen, in denen Du Dich wieder und wieder verfängst, indem sie Dir eine andere Herangehensweise ermöglicht. Vergiss nie: Du bist der oder die Herr*in über die Gitarre! Kontrolliere Deine Finger. Sie dürfen nicht machen, was sie wollen, sie sollen machen, was Du willst.
Die Erkenntnis, wie komplex die Kunst des Gitarrenspiels eigentlich ist
Das Lesen der folgenden Zeilen wird Deinen Entwicklungsprozess nicht beschleunigen. Denn das meiste wird in der Theorie erstmal wenig greifbar, in seiner Logik völlig selbstverständlich oder aber auch ein bisschen verwirrend klingen. Und erst wirklich Sinn ergeben, wenn Du es mit Deiner eigenen Gitarre selbst erlebt hast und nachfühlen kannst. Aber das Lesen dieser Artikelserie kann zumindest die Erkenntnis in Dir reifen lassen, wie komplex die Kunst des Gitarrenspiels eigentlich ist.
Es gibt unglaublich viele Faktoren zu beachten – mehr als dass man sich als Lernender auf alle gleichzeitig konzentrieren könnte. Auf gewisse Weise beginnt man immer wieder von vorne, die Finger auf die Saiten zu setzen, die Saiten anzuschlagen, und beherzigt dabei alle paar Wochen oder Monate eine weitere wichtige Einzelheit und integriert sie in sein Spiel. Ein*e gute*r Lehrer*in wird Dich nicht damit überfordern, an mehreren Details gleichzeitig herumzukritisieren. Sondern Dich nur auf die ein, zwei Faktoren aufmerksam machen, die in diesem Moment – in diesem Lernstadium oder bezüglich dieser ganz konkreten schwierigen Stelle – das größte Potenzial haben, Deinen Spielerfolg zu verbessern. An einem anderen Tag oder bei einem anderen Stück können es andere Faktoren sein. Welche Faktoren das im Einzelnen sein können, damit wollen wir uns in diesem Einleitungsartikel und verschiedenen Unterkapiteln zu besonders umfangreichen Teilaspekten des perfekten Gitarrenspiels beschäftigen.
Probleme analysieren statt durch Wiederholung zu festigen
Nehmen wir an, Du hast bei einem bestimmten Stück – egal ob es eine Fingerstyle Version eines Popsongs oder ein klassisches Stück ist – ein bestimmtes Problem und bekommst es auch mit viel Üben nicht in den Griff. Oder Du bist generell mit dem Klang, den Du auf der Gitarre erzeugst, nicht zufrieden, aber es wird einfach nicht besser. Dann ist Dir nicht damit geholfen, das Stück tausendmal zu spielen oder eine teurere Gitarre zu kaufen. So wirst Du nur die Fehler festigen, die Du ganz sicher machst. Wenn Du mit einer bestimmten Problematik auf der Gitarre nicht weiterkommst, gibt es nur einen einzigen sinnvollen Grund dafür. Du hast Dich nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, was genau schiefläuft. Bevor Du weiter übst und bevor Du hoffen darfst, dass Du Verbesserungen erzielst, musst Du das Problem analysieren und verstehen. Löse es mit aktivem Nachdenken! Die Profis betonen nicht umsonst immer wieder: Eine schwere Stelle ist nicht in sich schwer. Du machst sie Dir schwer, indem Du falsch herangehst. Nur wenn Du wirklich verstehst, was Du tust, und auf Basis dessen die richtigen Entscheidungen triffst, gibt es die Garantie, dass sich dein Spiel verbessern wird. Folgende Hinweise können Dir dabei helfen:
- Der optimale Fingersatz
- Profitipps für die linke Hand
- Profitipps für die rechte Hand
- Mit dem Stück spielen statt es bloß zu spielen
- Die richtige Körperhaltung
- Der Atem und sein Einfluss auf den Klang
Wissen, warum Du etwas tust
In all den in diesen Unterkapiteln beschriebenen Details können Dir auch Jahre nach Beginn des angeleiteten Gitarrenspiels noch Fehler passieren. Das sind keine Anfängerprobleme, sondern Fehler, die sich immer wieder einschleichen, gerade beim angestrengten Üben einer schwierigen Stelle oder eines neuen Stücks. Sie müssen immer wieder beobachtet und korrigiert werden. Kaum ist der eine Fehler für den Moment ausgemerzt, vergisst der Körper an anderer Stelle, auf die richtige Bewegung zu achten. Um das schnellstmöglich zu erkennen, ist es wichtig, sich beim Gitarrenspiel ständig vor Augen zu führen, warum Du etwas tust. Nur so kann es Dir wirklich in Fleisch und Blut übergehen. „Ich drücke die Saite tiefer herunter, weil der Klang dadurch voller wird. Weil der Ton sonst schief klingt, verziehe ich die Saite nicht. Ich wähle diesen Finger und nicht den anderen für diesen Griff, weil ich dann leichter zur nachfolgenden Position übergehen kann.“ Selbst für Fortgeschrittene ist es kaum möglich, selbstständig alles gleichzeitig im Blick zu haben. Ein Spiegel oder eine Videoaufnahme können beim Selbststudium zumindest eine kleine Hilfe sein, aber letztendlich braucht es den Blick von außen – von einer*m Lehrer*in.
Vielleicht kennst Du auch einfach die Eigenheiten Deiner (neuen) Gitarre noch nicht gut genug? Jede Gitarre spielt sich anders, ganz besonders im Detail. Es gibt (teure) Gitarren, die klingen einfach wunderschön, und es scheint beinahe egal zu sein, wie man sie anfasst. Und es gibt Gitarren (und das sind nicht nur die billigsten), bei denen man mehr Arbeit leisten muss, um den perfekten Klang zu erzeugen. Bevor Du noch kein Profi bist, wird Deine Gitarre vermutlich zur zweiten Kategorie gehören. Das macht aber nichts, beziehungsweise es ist sogar besser für Deine Entwicklung. Je besser Du auch auf widerspenstigen Instrumenten spielen kannst, umso entspannter kannst Du später mit einem guten Instrument sein.
Je mehr Du übst, desto kürzer werden die Zeitspannen, die notwendig sind, bis sich ein Automatismus für eine bestimmte Stelle entwickelt oder ein bestimmter Aspekt der richtigen Fingertechnik verselbstständigt. Das ist erstmal keine Überraschung. Überraschend oder sogar enttäuschend ist allerdings die Erkenntnis, dass es zwar mit zunehmenden Fähigkeiten einfacher ist, neue Stücke einzustudieren und mit ihnen eine bessere Qualität zu erreichen als mit früheren Übungsstücken. Dass man dadurch aber nicht automatisch alle älteren Stücke, die schon länger im Repertoire sind, besser spielen kann.
Ungünstige Automatismen haben sich fest eingeprägt
Jeder Gitarrenspieler hat diese vielen Stücke in der Schublade, die er bis zu einem gewissen Grad beherrscht, aber eben einfach nicht perfekt. Wenn Du mit weiterentwickelten Fähigkeiten zu einem dieser Stücke zurückkehrst, und das solltest Du unbedingt tun, werden Deine Finger sofort wieder in alte Muster verfallen. Ungünstige Automatismen zu diesem Stück haben sich fest eingeprägt. Wenn Du Deine Fähigkeiten auch für dieses Stück auf ein neues Level heben möchtest, hilft es nichts, und Du musst es im Grunde noch einmal von vorne lernen. Fingersätze überprüfen, schwierige Stellen analysieren, ungünstige Automatismen der rechten und linken Hand durch bessere ersetzen. Alles, was wir bisher schon besprochen haben. Spiele unbedingt jede neue Etüde und jedes neue Stück so früh wie möglich auswendig. Je früher Du aufhören kannst, auf die Noten zu achten, desto früher kannst Du Dich darauf konzentrieren, dass die Finger das Richtige tun. So gelangst du ohne den Umweg über falsche Automatismen, die nachträglich wieder korrigiert werden müssen, zum erfolgreich beherrschten Stück.
Besserwerden ist ein allmählicher Prozess. Du wirst nicht eines Morgens aufwachen und perfekt Gitarre spielen. Stattdessen wirst Du Plateaus von mehreren Wochen oder Monaten erleben, bei denen sich gefühlt gar nichts tut. Bis dann ein Tag kommt, an dem Du überrascht merkst, dass Dir irgendeine Kleinigkeit leichter von der Hand geht als zuvor. Und zwar nicht nur ein einziges, zufälliges Mal, sondern immer öfter. Eine kuriose Erkenntnis schließt sich dann oft an. Dir wird stolz klar, wie weit Du schon gekommen bist, seit Du zum ersten Mal eine Gitarre in die Hand genommen hast, und gleichzeitig scheint sich die Spanne, die es bis zur Perfektion noch zu überbrücken gilt, zu erweitern anstatt zu verkürzen. Weil Dir klar wird, wie kleinteilig die Schritte sind, die gutes Gitarrenspiel ausmachen.
Nicht die Technik, sondern der perfekte Klang ist das Ziel
Je mehr Du Dich damit auseinandersetzt, umso deutlicher werden Dir aber auch Deine Fortschritte auffallen. Und damit sind wir beim eigentlichen Thema angelangt – beim Klang. Denn in letzter Konsequenz geht es beim guten Gitarrenspiel nicht darum, eine Technik zu erlernen, sondern darum, einen schönen Klang zu erzeugen. Die grundsätzliche Erkenntnis, dass es überhaupt so etwas wie einen wunderschönen Klang als erstrebenswertes Ziel gibt, dass es nach dem fingertechnischen Durchmarsch noch viel, viel weitergeht auf dem Weg zum perfekten Gitarrenspiel, muss eingeschlagen haben, bevor Du weiterkommen kannst. Die bisher besprochenen technischen Anweisungen erhöhen die Chance, dass Dir ein guter Klang gelingt, weil die Meistergitarristen über Jahrhunderte herausgefunden haben, dass das so am besten geht. Doch dann kommen noch individuelle Komponenten dazu (deine konkreten Finger, die konkrete Gitarre auf Deinem Schoß) und etwas, das über die Technik weit hinaus geht: das Gefühl für Dein Instrument und die Musik.
Höre niemals auf zu versuchen, durch Veränderungen der Fingerarbeit (Position, Druck) einen noch besseren Klang aus Deiner Gitarre herauszuholen. Spiele Dich nicht auf einem Level fest, indem Du unflexibel wirst. Eine lange, lange Zeit geht es immer noch ein Stückchen besser! Gerade Stücke, die Du schon sehr gut spielen kannst, verleiten dazu, sie wieder und wieder ohne nachzudenken herunterzuspielen. Aber gerade diese Stücke sind die, mit denen Du Dich am besten auf die Arbeit am Klang konzentrieren kannst, weil Du eben nicht mehr auf den Fingersatz achten musst.
Das Wirrwarr aus Noten sortieren
Mancher Gitarrenautodidakt erlebt die Musik vor allem via Bauchgefühl (und bringt es damit sehr weit), doch ab einem gewissen Punkt sind Hintergrundwissen und musikalisches Verständnis äußerst hilfreich. Wenn Du Dich mit den Themen Musikkomposition und Musiktheorie beschäftigst, wirst Du ein Stück nochmal auf einem ganz anderen Level verstehen. Und das wird Dir erneut eine bisher unbekannte Möglichkeit eröffnen, mit der Du es Dir erschließen kannst.
Welches sind die Melodietöne, die am vollsten und schönsten klingen sollten, und welches nur Begleittöne, die einen leiseren Klang und eine andere Stimmfarbe vertragen? Welches sind die Basstöne, die besonders regelmäßig und gleichmäßig klingen müssen, weil sie für den Rhythmus verantwortlich sind? Wo beginnt und endet eine musikalische Sequenz, die zusammenhängend gespielt werden sollte?
Sortiere das Wirrwarr aus Noten, anstatt alle gleich zu behandeln und von Taktstrich zu Taktstrich zu denken, und das Stück bekommt gleich eine andere Dynamik und dadurch auch einen schöneren Klang.
Auch wenn Du Dich mit musiktheoretischen Inhalten wie der Stufentheorie auskennst, wirst Du harmonische Zusammenhänge in Deinem Stück erkennen, seinen logischen Aufbau, Wendepunkte und kunstvolle Abweichungen von der Norm, die Dir helfen, es schöner zu spielen. Welche Hinweise zur Artikulation hat außerdem der*die Komponist*in auf dem Notenblatt notiert und was bedeuten sie für Deine Interpretation? Es hilft, ab und zu den Fokus vom reinen Greifen der Finger weg und zu anderen wichtigen musikalischen Faktoren hin zu lenken, um sich nicht im sturen Kampf mit der Technik zu verheddern.
Solange sich die Fingerbewegungen auf der Gitarre nicht völlig natürlich und letztendlich kinderleicht anfühlen, bist Du technisch nicht am Ziel. Das hast Du erst erreicht, wenn Dein innerer Widerstand gegen eine bestimmte schwierige Stelle sich aufgelöst hat. Und wenn Du gar nicht mehr weißt, was eigentlich die ganze Zeit das große Problem war. Wahrscheinlich kannst Du die Stelle inzwischen auswendig, wenn nicht gar im Schlaf. Allerdings ist es wichtig, dabei den Zeitfaktor einzukalkulieren und nicht zu früh auf Erfolg zu hoffen.
Bis sich (die richtigen!) Automatismen in den Fingern entwickelt haben, dauert es. Es wird nichts nutzen, eine Übungssession trotzig immer weiter auszudehnen. Und dieselbe Stelle zum tausendundersten Mal zu spielen, in der Hoffnung, dass noch an diesem Abend der große Durchbruch kommt. Mache morgen weiter und übermorgen. Bleibe sorgfältig in der Umsetzung von Fingersatz und Techniken für rechte und linke Hand und „huddele“ nicht. Dann gibt es eine Garantie (!), dass Du vorankommen wirst.
Momente der Klangperfektion memorieren
Inzwischen sollte klar geworden sein: Schön Gitarre zu spielen, ist wirklich schwer, manchmal zum Verzweifeln schwer. Andererseits gibt es da auch diese unerwartete Glücksmomente: Völlig überraschend klingen die Töne plötzlich unglaublich viel besser, nachdem man etwas verändert und dadurch korrigiert hat – manchmal ohne zu wissen, was da gerade genau passiert ist.
Wenn ein solcher Moment eintritt, halte sofort inne. Bewege Dich nicht, verändere nichts an Deiner Haltung und lasse Dich durch nichts ablenken. Konzentriere Dich. Spiele dieselbe Stelle nochmal. Klingt sie wieder genauso schön? Spiele sie nochmal. Dann frage Dich: Was habe ich anders gemacht als sonst?
Falls Du die Antwort herausfindest, merke Dir, was es war, und versuche, es ab sofort immer so zu machen. Wenn Du es nicht herausfindest, versuche trotzdem, Dir den Moment so gut es geht und in allen Einzelheiten einzuprägen: Deine Körperhaltung, Deine Fingerposition der linken und der rechten Hand, alle weiteren Gegebenheiten. Verweile noch drei bewusste Atemzüge darin.
Danke für diesen wunderschönen Klang!
Währenddessen bedanke Dich beim Gitarrengott (oder beim Universum). „Lieber Gitarrengott! Danke, dass Du mir nach all den mühevollen Übungsstunden diesen Moment des Fortschritts oder gar der Perfektion geschenkt hast! Danke, dass Du mich erleben lässt, dass ich imstande bin, einen solchen Ton aus diesem widerspenstigen Instrument hervorzuzaubern! Das macht mich zuversichtlich, dass ich es vielleicht irgendeines Tages doch noch beherrschen werde. Und es macht mich einfach glücklich! Vielen Dank!“
Sage es am besten laut. Es ist so wichtig als Gegenpol zu all den Malen, wo Du vor Dich hingeflucht hast, dass Du einfach zu blöd zum Gitarrespielen bist und es nie richtig lernen wirst. Auch die Wirkungsweise der Selbstaffirmation bzw. positiven Selbstbekräftigung kann für Fortschritt sorgen!
Und wenn Du zum nächsten Schritt, dem mentalen Training übergehst (siehe weiter unten), kehre in Gedanken immer wieder zu solchen Erfolgsmomenten zurück. Wenn heute leider ein Tag ist, an dem sie nicht eintreten mögen, stelle Dir immer wieder die Frage: Beherzige ich alle oben aufgelisteten Regeln für einen guten Klang oder gibt es etwas, worauf ich im Moment noch nicht achte? Ein*e gute*r Gitarrenlehrer*in wird auch nach der xten Stunde der Beschäftigung mit demselben Stück immer noch einen neuen Tipp für Dich haben, was Du anders machen oder versuchen kannst, um eine bestimmte Stelle besser zu meistern.
Lass es fließen
Wenn Du ein Stück nun nach einigen Wochen beherrschst und es sich sogar schon richtig schön anhört, weil Du nicht nur an der Technik, sondern auch am Klang gearbeitet hast, machst Du immer noch keine echte Musik. Nun musst Du daran arbeiten, das Stück zu fühlen und es fließen zu lassen.
Stelle Dir in Deinen Gedanken genau vor, wie es klingen soll und wie alles zu einem großen Ganzen verschmilzt. Male Dir den perfekten Klang jeder einzelnen Note aus und lasse die Vorstellung dann fliegen. Erinnere Dich daran, wie sich der beste Klang angehört hat, den Du für dieses Stück während Deiner Übungssessions je erzeugt hast.
Welche Tipps hat Dein*e Gitarrenlehrer*in noch dazu gegeben, wie es klingen soll? Überlege Dir auch unabhängig von einzelnen Tönen, eher übergreifend, woran Dich das Stück oder auch nur die eine oder andere Stelle daraus erinnert. An tanzende Ballerinas? Die fliegende Feder aus der Anfangsszene von „Forrest Gump“? An einen erhabenen Dampfer in den rauen Wellen des Ozeans?
Stelle Dir vor, dass Du diese bildliche Szene mit Deinem Gitarrenspiel untermalst. Dieses mentale Training wird Deinem Körper helfen, die richtigen Fingerbewegungen durchzuführen. Damit der Ton, den Du produzierst, genauso herauskommt wie Du es möchtest.
Die Verbindung zwischen Körper und Geist perfektionieren
Je länger Du an den richtigen Spieltechniken feilst, desto besser funktioniert die Verbindung zwischen Körper und Geist. Zwischen Gedanken und Fingern. Denn je öfter Deine Finger den Klang, der Dir vorschwebt, bereits erzeugt haben, desto leichter fällt es Deinem Körper, Deine Vorstellung in die Tat umzusetzen. Darum ist es wichtig, in Deinen Übungssessions nicht nur ein schwieriges Stück nach dem anderen zu spielen. Sondern immer auch verhältnismäßig einfache Technikübungen durchzuführen (die in Wirklichkeit gar nicht einfach sind). Und auf die perfekte Umsetzung zu achten. Denn diese Techniken sind es, auf die Deine Finger auch im schwierigen Stück später zurückgreifen werden.
Tendenziell kann das Fühlen eines Stückes erst beginnen, wenn Du es technisch weitgehend beherrschst. Andererseits sind das keine zwei voneinander abgetrennten Schritte. Ein Stück, das Du nicht fühlst, wirst Du technisch nie beherrschen. Oder umgekehrt: Es hilft Dir, das Stück technisch zu beherrschen, wenn Du beginnst, es zu fühlen. Es kommt der Punkt, an dem Du das Stück technisch gut genug beherrschst, um zu beginnen, Dich beim Üben mehr auf Dein Gefühl als auf das Setzen der Finger zu konzentrieren.
Zwei parallele Herangehensweisen für den perfekten Klang
Wenn Du merkst, dass der Punkt gekommen ist, gibt es für die weiteren Übungssessions an diesem Stück zwei Herangehensweisen. Du solltest beide parallel durchführen. Einerseits die technische und klangbezogene Perfektionierung des Stücks. Sie besteht darin, bei jeder Stelle, die noch nicht hundertprozentig sitzt, die oben beschriebenen möglichen Fehler immer wieder durchzugehen und auszumerzen.
Und die gefühlsmäßige Perfektionierung des Stücks. Sie kommt dadurch zustande, dass Du es voller Mut und Energie spielst und fließen lässt. Die hoffentlich immer weniger werdenden technischen und klanglichen Fehler für den Moment ignorierst und Dich hauptsächlich auf das große Ganze konzentrierst. An diesem Punkt angekommen zu sein, ist ungeheuer befriedigend. Denn hier beginnt die wahre Musik.