Richtig gut Gitarre spielen: Profitipps für die linke Hand

Richtig gut Gitarre spielen: Profitipps für die linke Hand

🇩🇪 Die linke Hand und ihre Finger sind beim Gitarre Spielen nicht nur dafür zuständig, irgendwie im richtigen Bund zu landen. Für den guten Klang macht es einen großen Unterschied, wie sie greifen. Verbessere Dich mit den folgenden zehn Profitipps für die linke Hand.

1. Drückst Du fest genug mit den Fingern der linken Hand auf die Saiten?

Es ist ein Irrglaube, dass die linke Hand nur für Barrégriffe viel Kraft brauche. Man braucht sie immer! Insbesondere der Ringfinger der linken Hand sitzt meist zu leicht auf. Oder wird beim Hammer-On oder wenn er anderweitig einzeln gesetzt wird, mit zu wenig Kraft auf die Saite gesetzt. Wer (mit allen Fingern) feste zudrückt (ohne dabei zu verkrampfen), erhöht seine Chancen auf einen guten Klang und sorgt für einen besseren Halt. So sitzen die Finger sicherer und können gezielter umgreifen. Bis die linke Hand verstanden hat, wie fest sie tatsächlich greifen muss, kann man es sogar ein bisschen übertreiben! Drücke, bis die Knöchel weiß werden. Drücke so fest, dass die Fingerkuppen die Saite komplett umschließen und sie geradezu in das Holz hinein massieren. Die Saiten dürfen sich kein bisschen bewegen. Später wird der notwendige Druck müheloser erreicht werden können. Beim Barrégriff ist das Ziel, die nötige Kraft allein mit Daumen und Zeigefinger aufzubauen und nicht z.B. den Mittelfinger von oben auf den Zeigefinger zu legen, um ihn beim Drücken zu unterstützen. Der Mittelfinger muss mit Ring- und kleinem Finger beweglich bleiben.

2. Triffst Du die Saiten mit den Fingern der linken Hand im richtigen Winkel?

Wer im richtigen Winkel trifft, braucht weniger Druck, um den notwendigen Kontakt zwischen Saiten und Griffbrett herzustellen. Das ist die einzige Möglichkeit, etwas Kraft zu sparen. Korrekt setzen der Mittelfinger und der Ringfinger senkrecht von oben im 90-Grad-Winkel auf. Während der Zeigefinger nach links kippt und seitlich aufsetzt und der Ringfinger nach rechts kippt und seitlich aufsetzt. Insbesondere das oberste Glied des Ringfingers muss dabei bis zur Schmerzgrenze und darüber hinaus umgebogen werden. Keine Sorge, der Finger gewöhnt sich dran. Irgendwann tut es nicht mehr weh.

Die beschriebene Positionierung gelingt ganz gut, wenn alle vier Finger der linken Hand im Einsatz sind. Doch wenn nur zwei oder drei Finger für einen Griff benötigt werden, und dann womöglich noch sehr eng zusammen aufzusetzen sind, tendiert der Mittelfinger schnell dazu, sich an den Zeigefinger anzupassen und in dieselbe Richtung zu neigen. Dann musst Du aktiv darauf hinarbeiten, die beiden voneinander zu trennen, auseinanderzuspreizen und den Zeigefinger zu seinem 90-Grad-Winkel zurückzubringen.

Dass Du es richtig machst, erkennst Du daran, dass die Hornhautrillen nicht mittig auf den Fingerkuppen des Zeigefingers und des kleinen Fingers, sondern an ihren Außenseiten entstehen. Für alle Finger der linken Hand gilt: Wenn sich die Hornhautrillen nicht an den richtigen Stellen bilden, z.B. bei Mittel- und Ringfinger nicht nah genug am Fingernagel, ist es unmöglich, den perfekten Klang zu erzeugen. Denn die Saiten werden immer wieder automatisch in die Hornhautrille und damit in die falsche Position rutschen.

Dann hilft es nur, die Hornhaut abzufeilen, bis die Rillen so gut wie weg sind und den schmerzhaften Prozess der Bildung neuer Hornhautrillen erneut zu durchleben. Die gute Nachricht lautet: Wenn die Rillen erst an der richtigen Stelle sitzen, ist es viel leichter, einen guten Klang zu erzeugen und sicher umzugreifen. Weil die Saiten nun automatisch in die richtige Position rutschen. Trotzdem müssen die Fingerkuppen mit der Nagelpfeile regelmäßig gepflegt werden. Denn in zu tiefen Rillen bleiben die Saiten hängen. Pull-offs sind dann nahezu unmöglich. Und auch sonst klingt das Spiel sehr hart.

3. Lässt Du die Finger so lange wie nötig auf den Saiten liegen und bleibst beim Umgreifen nah an den Saiten?

Die Finger bleiben so lange wie möglich (möglichst den kompletten Takt lang) auf „ihrer“ Saite liegen, damit der Ton nachklingen kann. Bewegungen werden nur ausgeführt, wo sie unbedingt notwendig sind. Vor lauter Nervosität beim schwierigeren Umgreifen und besonders bei Basstönen, die den ganzen Takt untermalen sollen, oder bei Melodietönen, die über den Takt hinaus weiterklingen sollen, passiert es leicht, dass man den Finger zu früh löst und den Ton abrupt unterbricht. Manchmal ist das abrupte Abbrechen allerdings auch gewünscht – nämlich wenn im Notenblatt durch den Notenwert oder ein Pausenzeichen angekündigt wird, wann der Ton enden soll. Dann muss man abwägen, ob das Ende durch ein Heben des Fingers von der Saite herbeigeführt werden kann oder ein aktives Abdämpfen einer leeren Saite erforderlich ist.

Beim Umgreifen bleiben die Finger der linken Hand stets in Spürnähe der Saiten und machen kleine, kontrollierte, präzise, ruhige, beinahe zärtliche Bewegungen. Sie rutschen fast vom einen zum nächsten Griff, ohne dabei jedoch ständig Glissandi zu verursachen. Die Saiten werden dabei nicht mittig zwischen zwei Bundstäbchen gedrückt, sondern kurz vor dem Bundstäbchen des nächsthöheren Bundes. Das gilt bei Akkorden für jeden einzelnen Finger! Solange man noch kein*e Meister*in der Gitarre ist und jedes einzelne Umgreifen bis zur Perfektion gelingt, geschieht es unwillkürlich, dass die Perfektion mit jedem Umgreifen weiter nachlässt. Wenn du merkst, dass du in diese Negativspirale geraten bist, ist es besser, beim nächsten Umgreifen etwas mehr Abstand zu den Saiten zu nehmen und mit einer etwas größeren Bewegung ganz neu anzusetzen. Aber langfristig ist dein Ziel, dass das nicht mehr notwendig sein wird.

4. Verreißt Du die Saiten auch nicht?

Wenn man die Saiten unabsichtlich nach oben schiebt oder nach unten zieht, nennt man das „verreißen“. Es führt dazu, dass die Töne schief (einen halben Ton höher oder tiefer) klingen. Und es passiert besonders gern bei der G-Saite. Ist als nächstes ein Umgreifen in einen halben Barré gefragt, kann es vorkommen, dass man die verrissene Saite nicht mit erwischt. Die Saiten werden also besser – außer bei bewusst eingesetzten Methoden wie dem Bending – direkt von oben gedrückt und in ihrer Position kontrolliert. Der Abstand zwischen allen Saiten muss immer gleich bleiben. Kontrolliere das am besten, indem Du Dich beim Spielen im Spiegel beobachtest oder auf Video aufnimmst.

5. Sitzt der linke Daumen an der idealen Stelle für diesen ganz konkreten Griff?

Häufig achtet man als Gitarrenspieler nur auf die vier linken Finger, die das Griffbrett von vorne bedienen und führt den Daumen nur unbewusst mit. Dadurch wird er faul, bewegt sich zu wenig. Sitzt ständig zu tief oder zu hoch. Zu weit rechts oder links und hinkt irgendwie hinterher. Das verschlechtert den Klang und erschwert das Umgreifen. Denk daran, den Daumen an der Rückseite des Gitarrenhalses immer wieder neu zu positionieren – und zwar großzügig, nicht nur in einem kleinen Bereich. Für jede Akkord, insbesondere jeden Barrégriff, und für jeden Fingersatz gibt es die optimale Daumenposition. Dabei kann und muss der Daumen von links nach rechts und von oben nach unten bewegt werden.

Letztendlich ist die richtige Daumenarbeit schlichte Physik. Auf der Vorderseite des Griffbretts gibt es in jeder Position einen bestimmten Finger, der am meisten Druck von allen aufbauen muss. Und dafür braucht er den Gegendruck des Daumens an genau dem Punkt, an dem physikalisch der Gegendruck am besten aufgebaut werden kann. Das kann – zum Beispiel bei halben Barrés – direkt gegenüber sein. Es kann aber auch – zum Beispiel bei Pull-offs mit dem Ringfinger in eher höheren Tonlagen – viel weiter links sein als Du denkst.

Bei normalen Griffen ohne allzu große Spreizung hat der linke Daumen seinen Platz meist weiter oben an der Rückseite des Gitarrenhalses als er automatisch landet, wenn man ihn unbewusst setzen würde. In den tiefen Lagen muss er eher links von der Hand sitzen. In den höheren Lagen eher mittig hinter die Hand rutschen. Auch den Daumen sehr bewusst zu setzen und bei schwierigen Stellen mit einer anderen Daumenposition zu experimentieren, ist darum wichtig und vielversprechend, wenn es um eine Verbesserung des Klangs geht. Manchmal – insbesondere in hohen Lagen – kann es sinnvoll sein, den Daumen nicht flach, sondern seitlich (mit der der Hand zugewandten Seite) aufzusetzen, um mehr Gegendruck zu erzeugen.

Übrigens: Wenn die Finger schön fest zudrücken (siehe Tipp 1), ist man geradezu gezwungen, den Daumen an die richtige Stelle zu setzen, weil es anders gar nicht geht. Festes Zudrücken führt also nicht nur zu besserem Klang und sichereren Griffen, sondern auch zu besserer Daumenarbeit!

6. Lässt Du genug Platz zwischen Hand und Griffbrett, um beweglich zu bleiben?

Die zupackende linke Hand, die den Gitarrenhals so eng fasst, dass der Handteller ihn direkt berührt und der Daumen weit nach vorne übersteht, kennt man zum Beispiel von E-Gitarristen oder von Blues-Gitarristen, die die tiefe E-Saite von oben mit dem Daumen greifen. Zuträglich für das klangvolle Fingerstyle oder klassische Gitarrenspiel ist sie nicht. Normalerweise agieren wir dort mit etwas Abstand zwischen Hand und Gitarrenhals. Eine Ausnahme bilden bestimmte Griffe ausschließlich auf den hohen Saiten an beiden Enden des Gitarrenhalses. Sie können es notwendig machen, dass die Hand etwas enger an den Gitarrenhals herangeht, um mehr Stabilität zu finden, wodurch besonders im Bereich des unteren Zeigefingers größere Kontaktflächen entstehen.

7. Greift Deine linke Hand direkt von unten und parallel zum Griffbrett an den Gitarrenhals?

Allzu leicht knickt das Handgelenk der linken Hand nach links oder rechts weg. Besonders am oberen Ende des Gitarrenhalses wird gerne „schräg angesetzt“. Grundsätzlich besteht aber bei jedem Positionswechsel erneut die Gefahr, mit der Hand zu kippen. Dadurch sind aber bei den darauffolgenden Positionswechseln immer größere Bewegungen notwendig, und schnell kommt man in eine Situation, in der sie gar nicht mehr rechtzeitig zu schaffen sind. Also mit der Hand immer schön parallel zum Griffbrett bleiben und wie auf einer geraden Schiene am unteren Rand entlangfahren. Im Zweifelsfall müssen sich die Finger zugunsten des stabilen Handgelenks mehr spreizen und strecken.

8. Lässt Du Deinen Ellbogen locker an Deiner Seite hängen?

Je weiter in Richtung Klangkörper der Gitarre / höhere Tonlagen Du greifst, umso wichtiger ist es, den linken Ellbogen eng am Körper zu positionieren. Nur so kannst Du die Finger richtig setzen. Wenn Du weiter links / in tieferen Tonlagen greifst, bewegt sich der Ellbogen immer nur in einer Linie mit der Hand mit. Nie darüber hinaus. Beim verkrampften Greifen einer schwierigen Stelle oder beim Positionswechsel von höheren zu tieferen Tonlagen ist meist das erste, was passiert, dass Du Deine Schulter nach oben ziehst. Oder den Ellbogen nach links oben abwinkelst. Doch das ist nie die Lösung!

9. Schaust Du bei Griffwechseln mit großen Sprüngen an die richtige Stelle auf dem Griffbrett?

Schaue bei großen Bewegungen der linken Hand konzentriert auf die Stelle, auf der der am weitesten rechts platzierte Finger landen soll. Dann wird er auch dort landen. Und die anderen Finger werden sich wie von selbst fügen.

10. Verschwendest Du Deine Energie nicht an der falschen Stelle?

Ein verkrampftes Handgelenk oder eine verkrampfte Schulter führen nicht nur zu einem steifen, schmerzenden Nacken. Sie verringern auch die Menge an Energie, die dort ankommt, wo sie notwendig ist. Nämlich in den Fingern der linken Hand. Selbst wenn die Energie grundsätzlich richtig in die Finger fließt, kann sie immer noch an der falschen Stelle landen. Beispielsweise in einem Finger, der gar nicht für den Hauptmelodieton verantwortlich ist und gar nicht den lautesten Klang produzieren muss. Oder in dem Finger, der einen Pull-off durchführt, anstatt in dem Finger, der nach dem Pull-off auf dem Griffbrett stehenbleibt. Beim Barrégriff ist es meist gar nicht notwendig, alle Saiten gleich kräftig herunterzudrücken. Sondern die Energie ist besser zum Beispiel nur auf den oberen, nur auf den unteren oder nur auf den beiden äußeren Saiten aufgehoben. Freie Finger schweben nicht irgendwo in der Luft herum oder stehen abgespreizt in alle Himmelsrichtungen – auch das kostet unnötige Energie. Sie bewegen sich stattdessen kontrolliert bereits in die Richtung, in der sie später benötigt werden, auch wenn die Position im Moment noch nicht final erreicht werden kann.

Titelbild: ignatsevichserg, pixabay.com

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